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  Der Zwergholunder  

m Sommer des letzten Jahres gingen wir öfters über die Felder ins nächste Dorf. Wir wanderten dort mit abschiednehmenden Augen, denn es war uns klar geworden, dass unsere Zeit an diesem Platz und die Zusammenarbeit mit einem dort ansässigen Projekt ihrem Ende entgegenging. Mich bewegten dabei gegensätzliche Gefühle: die Enttäuschung, nach all der Arbeit für den Aufbau nun nicht die Früchte dieser Arbeit geniessen zu können war die eine Seite. Die andere war die Sicherheit, dort etwas Gutes geschaffen zu haben und die Gewissheit, dass es besser ist zu gehen, und dass alles Festhalten nur weiteren Schmerz bedeutet hätte, ohne Aussicht war auf Segen für irgendeinen der Beteiligten.
Der Weg führt zunächst einen weiten Hügel bergab und dann an einem Wald entlang. Es ist ein Mischwald mit vielfältigem Bestand, das fällt auf in einer Gegend, wo die meisten Wälder zu reinen Fichtenforsten umgestaltet wurden. Der

Waldrand war sehr blumenreich, verschiedenste blühende Gewächse waren bis in die angrenzende Wiese hinein wachsend zu finden. Aufgefallen ist mir zuerst der Zwergholunder direkt an der Grenze zwischen Wald und Weg, aber da waren auch der Waldwachtelweizen noch innerhalb des Waldes, wo Sonnenflecken zwischen den Moospolstern schon Grasbüschel aufkommen lassen, vor den Bäumen im Licht dann üppig der Odermennig in voller sonnengelber Blüte, und draußen auf der Wiese verstreut die blauen Köpfchen der Braunelle. Damit sind nur die Blüten genannt, die wir schon als bewährte Blütenessenzen kennen, es waren aber noch einige mehr. Waldränder gehören immer wie auch Hecken und Schuttplätze ob ihrer Vielfalt zu den botanisch interessantesten Plätzen, aber das war wirklich ein Waldrand wie aus dem Bilderbuch der Blütenkundigen.

   

esonders angesprochen hat mich dort der Staudenholunder (Sambucus ebulus). Es war für diese Pflanze ein ganz typischer Platz – sie ist immer an Waldrändern oder auf Lichtungen zu finden. Die Sprosse der Pflanze kommen gerade aufstrebend ein bis zwei Meter aus der Erde, verzweigen sich nicht und enden jeweils mit einem Blütenstand, der im Juni erscheint. Vereinzelt blühen Pflanzen an kurzen Seitensprossen noch bis in den Spätsommer hinein und zeigen damit die den Geißblattgewächsen so eigene Loslösung aus zeitlichen Abläufen. Jedes Jahr erscheinen die Sprosse aufs neue und vergehen im Herbst wieder, der Attich bildet kein Holz und erneuert sich im Frühjahr aus seinem Wurzelstock – er ist also eine Staude. Wenn auch andere botanische Besonderheiten an die großen holzigen Verwandten, den Schwarzen Holunder (Sambucus nigra) und den Traubenholunder (Sambucus racemosa) erinnern, in seiner jährlichen Erneuerung ist er ihnen ganz unähnlich. Die Blätter der Holunderarten ähneln sich aber schon sehr: sie sind unpaarig gefiedert, das heißt der Abschluss der Blattspreite wird von einem Teilblatt gebildet, die einzelnen Teilblätter sind lanzettlich, der Blattrand gesägt. Beim Attich sind die Blätter am größten, dann folgt der Schwarze Holunder, am kleinsten fallen der die Blätter beim Traubenholunder aus, der auch die wenigsten Teilblätter hat. Die Rinde der Sprosse ist nur bei den holzigen Arten so typisch korkig-warzig, der Staudenholunder bleibt deutlich im grünen Bereich. Die Blüten des Attichs stehen endständig an des Sprossen  in  Trugdolden, sind

rosa-weiß und die Staubbeutel sind rotviolett, diedes Schwarzen Holunders weiß mit gelben Staubbeuteln, auch in einer Trugdolde, der Traubenholunder hat kegelförmige Blütenstände mit Blüten, deren Weiß grünlich-gelb abgetönt ist. Die Früchte von Attich und Schwarzem Holunder sind schwarz, die des Traubenholunders leuchtend rot. Der Geruch zerriebener Holunderblätter wird als widerlich beschrieben, er ist jedenfalls scharf und sehr stark und lädt nicht ein, die Blätter zu essen. Beim Geruch der Blüten (wie beim Geschmack der Beeren) des Schwarzen Holunders scheiden sich die Geister: die einen finden ihn eklig bis zum Erbrechen, die andern lieben ihn als fein verteilte Note und solchen Menschen schmeckt auch der aus den Blüten zubereitete Sirup oder Tee (schweißtreibend) und die in Teig getunkten und dann gebackenen Blütendolden. Der Duft des Staudenholunders ist deutlich feiner und süßer, das herbe, leicht widerwärtige des Holunderaromas ist nur noch ganz entfernt zu bemerken.

Die Holunder sind eine heilkräftige Familie. Über die traditionellen Anwendungen des Schwarzen Holunders haben wir bei der Beschreibung seiner Blütenessenz schon berichtet. Auch der Attich hat solche alten Anwendungsformen, besonders seiner Wurzel (Radix Eboli), die als harntreibendes Mittel verwendet wird und die sogenannte Attichlatwerge, ein aus den Beeren gekochtes Mus, das zur Anregung der Verdauung einen guten Ruf hatte. Bekannt ist auch die Anwendung der Pflanze als Pferdemedizin.

 

   Exkurs über Dauer und Vergänglichkeit   

eder Mensch, der einen Tag in einem Haushalt mit einem oder mehreren kleinen Kindern verbringt, wird gelegentlich von einem Zweifel befallen, ob die Arbeit ein Erfolg war. Alles, jedenfalls auf der materiellen Ebene, schaut aus wie am Tag zuvor, und dieses Greifbare haben wir gelernt ernst zunehmen. Wenn wir ins Hadern kommen mit den Verhältnissen, in denen wir uns befinden, und uns der Zweifel befällt, ob denn überhaupt unsere ganze irdische Mühe einen Sinn hat, ob der Tropfen, die wir auf heiße Steine träufeln, und so wenig dabei ändern...
Viele Einflüsse in dieser Zeit weisen uns darauf hin und zwingen uns geradezu, materielle Verhältnisse sehr ernst zu nehmen - ob Berufslaufbahn, Versicherungen, Altersvorsorge - die Sicherung der materiellen Existenz füllt einen wesentlichen Teil unserer Aufmerksamkeit und unseres Tuns. Auch in ideellen und emotionalen Aspekten des Lebens wie Beziehungen wünschen wir uns zumeist Dauer und definieren Erfolg in einer Weise, dass, was lange dauert, auch geglückt ist. Wir bauen Häuser, die Jahrhunderte überdauern können, ungeachtet der Tatsache, dass sie ziemlich sicher in ein paar Jahrzehnten überholt sein und umgebaut oder gar abgerissen werden.

So notwendig es ist, sich greifbare Ziele zu setzen, kann sich das Ziel als Falle erweisen, besonders wenn wir es mal erreicht haben, und dann keine neue Perspektive entwickeln. Manche Menschen verlieren über dem Streben nach Zielen die Freude an dem Prozeß, der sie an das Ziel bringen wird. Wenn sie reisen, möchten sie gleich am Ziel sein, das Reisen selbst, der Vorgang, erscheint ihnen lästig, Damit wächst die Gefahr, in Zeiten des Wandels aus dem Fluß des Lebens zu fallen, weil wir in der Sicherheit des Bekannten zu verweilen trachten. Darauf weist der bekannte Spruch von dem Weg, der das Ziel ist. Er betont den Prozeß als das eigentlich Wichtige, dem die Aufmerksamkeit zu gelten hat. Was aber, wenn uns die Veränderungen über den Kopf zu wachsen drohen, wir uns auf nichts mehr verlassen und auf nichts ausrichten können, weil alles den wechselnden Notwendigkeiten der täglichen Bedürfnisse unterliegt? Ist das nicht ein sehr beunruhigender Teil unseres Lebengefühls in dieser Zeit?

   

as sollen wir davon halten, dass die einen wichtige und völlig verständliche Gründe dafür anführen, dass wir Innovationen brauchen, Neuerungen, den Aufbruch aus verkrusteten Strukturen, die anderen (*1) aber von einer Beschleunigungskrise sprechen, die dadurch entsteht, dass wir uns nicht mehr die Zeit gönnen, Neuerungen zu prüfen, bevor wir uns ihnen völlig ausliefern? Dauernd müssen die Nachbesserungen nachgebessert werden. Noch nie gab es so viele Gesetze, noch nie wurden sie so schnell geändert. Ich fürchte mich vor dem Tag, an dem ich morgens ins Internet schauen muß, um zu wissen, welche Gesetze heute gelten, welche Währung heute angenommen wird, in welches Rentensystem ich einzahlen soll und welcher Gott heute angebetet werden muß. Ist das jetzt ein Symptom vorzeitigen Alterns oder die beginnende Einsicht, dass es sich um ein Hamsterrad handelt, das mich nicht voranbringt?
In Situationen, die unübersichtlich sind, ist es rational, sich Entscheidungen zu verweigern, meint ein Philosoph (*2), der diese Haltung als Moratoriums-Nein bezeichnete. Wenn jede weitere Entscheidung die Lage noch verworrener machen würde, leuchtet das auch unmittelbar ein. Und doch sind wir als Kultur nicht in der Lage, die großen Entscheidungen mal ruhen zulassen und uns eine Atempause zu nehmen, kleine Dinge zu tun und den Überblick wieder zu gewinnen. “Keine Atempause, Geschichte wird gemacht, es geht voran...!”(*3)

Und das treibt auch uns als Individuen voran. Im Alten Testament erscheinen als Ideal (das natürlich nicht vollkommen verwirklicht worden ist) Ideen wie der Sabbat, das Sabbattjahr und das Jubeljahr. Dies sind solche Atempausen, die dem Abstand dienen und der Besinnung auf den Sinn des Ganzen, indem die Menschen ruhen und ebenso die Tiere, die Felder nicht bestellt und die Rebstöcke nicht beerntet werden. Der Gipfel schließlich ist die Freilassung der Sklaven und der Erlass von Schulden zu bestimmten Zeiten. Die Karten werden neu gemischt, der Mensch setzt sich über die Regeln hinweg, die er gemacht hat, um sich in der materiellen Welt einzurichten. Er erweist sich damit stärker als die Gesetze des puren materiellen Lebens und als echtes Kind der geistigen Welt. Solches leistete sich eine aus unserer heutigen Warte primitive Gesellschaft, jedenfalls setzte sie es sich als Ziel, empfand es als Auftrag. Wir dagegen mit all unserer Technik und einem immensen Wissen um die Naturgesetze und einer scheinbar unglaublich erhöhten Produktivität, wir schaffen nach und nach alle Feiertage ab und auch der Sonntag als letzter Rest der alttestamentarischen Atempausen ist in realer Gefahr, geopfert zu werden, weil wir uns, wie es heißt, solchen Stillstand und die damit verbundene Einschränkung der persönlichen Freiheit nicht mehr leisten können.

 

   Zur seelischen Entsprechung des Zwergholunders   

er Zwergholunder führt uns aus der Sackgasse des Zweifels: für ihn gibt es keine Dualität zwischen Weg und Ziel, und aller Konflikt zwischen Wandel und Dauer erweist sich als ein Produkt des menschlichen Denkens. Das Leben ist alles und der Wandel ist das Bleibende.
Der Zwergholunder entwickelt eine gut strukturierte, klare, harmonische Gestalt, aber er verweilt nicht darin. Er löst im Herbst auf, was seine nahen Verwandten im Holz verhärten. Er erneuert sich ganz aus seiner Wurzel, wo die anderen Holunder mit den Wunden und Verwachsungen der Vorjahre weitermachen (müssen). Er kommt wieder im neuen Jahr, bleibt sich treu in seiner Erscheinung und ist doch neu in seiner Gestalt.
Der Attich weist uns darauf hin, dass es in unserem Leben eine Harmonie von Form und Aufgabe gibt: Du kannst dein Leben lesen als einen Hinweis auf deine Aufgabe und den Sinn deines täglichen Tuns.  Wie dein Leben  ist, ist es

so, dass du deiner Aufgabe nachgehen und sie erfüllen kannst. Es ist nicht entscheidend, dass etwas Sichtbares zurückbleibt von deinem Tun, sondern dass es ein Dienst ist. Wie dein Leben auch ist, du kannst darin Segen stiften. PE

Schlüsselbegriffe der Seelenzutände
blockiert: Zweifel, Erschöpfung, Angst vor Veränderungen, Festhalten an bekannten Strukturen
positiv: Vertrauen, Mut zu Neuem, Ausgleich von bewahrenden und erneuernden Kräften

(*1) wie der für gesellschaftliche Entwicklungen sensible Astrophysiker KAFKA, der ein Buch zu diesem Thema veröffentlicht hat
(*2) an seinen Vortrag im Radio kann ich mich lebhaft erinnern, an seinen Namen nicht, nur
dass er aus Friesland stammt...
(*3) aus einem genialen Song von Fehlfarben (wenn ich mich recht erinnere...)